Am 3. Mai 1946 wurde an der Martin-Luther-Universität ein „Vorsemester für Volksstudenten an der MLU (kurz Vorstudienanstalt) gegründet, das Kindern aus Arbeiter- und Bauernfamilien die Möglichkeit geben sollte, nach dem Besuch der Grundschule und einer abgeschlossenen Facharbeiterausbildung das Abitur abzulegen. Damit hatten Personen aus traditionell bildungsfernen Schichten die Chance auf Erlangung der Hochschulreife und konnten anschließend ein Studium aufnehmen.
1949/1950 wurden die „Arbeiter- u. Bauernfakultäten an den Hochschulen der DDR gegründet, welche die Vorstudienabteilungen ablösten. An der Martin-Luther-Universität kam als Besonderheit 1954 noch die ABF II dazu, welche Studenten auf einen Auslandsaufenthalt insbesondere in der Sowjetunion vorbereiten sollte.
Die ABF hatte das erklärte Ziel, die ihr anvertrauten Menschen im Sinne des sozialistischen Staates zu erziehen. Denken und handeln genauso wie Richtlinien und Studienpläne sollten der Linie der Staatspartei SED entsprechen. Die Studierenden sollten zu willigen und gehorsamen „Nachwuchskadern herangezogen werden, die ganz im Sinne des herrschenden sozialistischen Systems zu arbeiten und zu handeln hatten. Verstöße und Ausbruchsversuche gegen dieses totalitäre Reglement wurden mit Härte (Aussprachen und Anklagen vor der Seminargruppe, Verweise und angedrohte Exmatrikulation bis hin zur „Bewährung in der sozialistischen Produktion) geahndet.
Die ABF wird auch oft als „Kaderschmiede der sozialistischen DDR bezeichnet. Es wundert nicht, dass der Russisch-Unterricht eine zentrale Bedeutung im Lehrplan erhielt und Partei und Jugendverband eine zentrale Rolle bei Ausbildung und Freizeit der jungen Menschen spielten. Es wurde gewünscht bzw. vorausgesetzt, dass nach der zumeist dreijährigen Ausbildung im naturwissenschaftlichen bzw. geisteswissenschaftlichen Zweig der Absolvent zum Studium in das „sozialistischem Ausland, meist in die Sowjetunion oder Polen ging. Es gab „Absolventenlenkung, die zwar die Wünsche der Studenten berücksichtigte, jedoch in erster Linie sich nach den Einsatzplänen des Ministeriums für Volksbildung richtete.
Bei der Sichtung und Bewertung der Studentenakten der ehem. ABF fällt eine uniforme Vereinheitlichung der einzelnen Studentenpersönlichkeiten auf, was besonders in den jeweiligen Beurteilungen deutlich zum Ausdruck kommt. Die angelegte Beispielsammlung der Studentenakten der ehemaligen ABF belegt nicht nur die Vielfalt der Studentenpersönlichkeiten, sondern auch den Unterdrückungsapparat der Leitungsorgane bei schon kleinsten Regel- bzw. Normverstößen gegen den diktatorischen Studien- und Freizeitalltag der Studenten.
Bei aller kritischen Sicht auf diese Bildungseinrichtung der ehem. DDR sollte aber nicht unerwähnt bleiben, dass bei entsprechender unbedingter Anpassung (geforderte Mitgliedschaft in der SED) und Leistungserbringung im erfolgreichen Abschluss des Abiturs die gewünschte bzw. oft auch umgelenkte Studienrichtung im Ausland eine berufliche, mitunter steile Karriere im sozialistischem System der ehemaligen DDR sicherte.
Marion Heise, Halle (Saale) 2012, geänderte Fassung 2018
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Der Bestand wurde 2015 von der maschinenschriftlichen Findkartei retrokonvertiert. Der Bestand umfasst 236 Archivalien. Die erste belegte Signatur ist die 1, die letzte die 1479. Die folgenden Signaturen sind nicht belegt: 2 - 8, 10, 13, 14, 19, 27, 30 - 35, 41 - 48, 51 - 54, 58 - 73, 75 - 80, 82, 83, 86 - 88, 90, 92, 93, 98, 100, 108 - 117, 121 - 123, 135, 40, 143, 144, 146 - 151, 154, 164, 166, 174, 176 - 184, 196, 203, 215, 216, 219, 221, 222, 225 - 227, 230, 241, 242, 245, 246, 249, 252 - 505, 507 - 510, 512 - 515, 520 - 527, 529, 530, 536 - 550, 553 - 935, 937, 938, 952, 957 - 963, 965 - 967, 970, 972 - 976, 978 - 981, 984, 992 -1009, 1020 -1026, 1028, 1029, 1032 - 1037, 1044, 1045, 1051 - 1059, 1063 - 1308, 1310, 1311, 1313 - 1344, 1348 - 1364, 1368 - 1448, 1451 - 1463.
Stefan Fink, Halle (Saale) 05.02.2015 |